Gegen den Stellenabbau bei Vitesco
Finger weg von Vitesco in Nürnberg

Die Fertigung bei Vitesco stand heute still! 500 Beschäftigte haben für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstriert.

6. Juli 20226. 7. 2022


Unter dem Motto „Finger weg von Nürnberg“ hat die IG Metall Nürnberg am Dienstag, den 05.07.2022 um 13:30 Uhr zu einer Kundgebung gegen den geplanten Stellenabbau aufgerufen. 500 Beschäftigte aus der Früh- und Spätschicht haben sich an der Kundgebung beteiligt. Nachdem Vitesco am vergangenen Dienstag überraschend den Abbau von 800 Arbeitsplätzen verkündet hat, ist der Unmut und die Empörung bei den Beschäftigten und dem Betriebsrat groß. Diesen Unmut brachten die betroffenen Beschäftigten lautstark zum Ausdruck. Mit der Kundgebung setzt die IG Metall ein Zeichen, dass die Lichter am Standort Nürnberg langfristig nicht ausgehen dürfen.

Nach wie vor stehen unzählige Fragen im Raum, welche bisher unbeantwortet geblieben sind. Besonders im Fokus steht die Frage, warum es das Management nicht geschafft hat, Zukunftsprodukte an den Standort zu holen, obwohl Nürnberg das einzige Elektronik Werk in Deutschland ist, welches zudem Zulieferer für Elektro Autos ist. Viele dieser Produkte werden in Nürnberg entwickelt, dann jedoch oft im Ausland produziert. Jetzt muss ein Umdenken stattfinden.

Gunther Breu, Betriebsratsvorsitzender Vitesco Nürnberg:
„Wir fordern nun den Arbeitgeber auf, ernsthaft mit uns über Zukunftsprodukte zu sprechen. Wir brauchen die Zusage, dass Produkte, die in Nürnberg entwickelt werden, auch in Nürnberg produziert werden, und nicht im Ausland. Mit einer Größe von 350 Beschäftigten ist das Werk langfristig nicht überlebensfähig. Mindestens zwei aktuelle in Entwicklung befindliche Produkte können perspektivisch in Nürnberg gefertigt werden. Unser Ziel ist es, dass einzige Produktionswerk in Europa für Siliziumkarbid Powermodule zu werden (SiC Powermodule sind das Herzstück für viele eMobilitätsprodukte).
Unser oberstes Ziel ist es nun, unter allem Umständen Entlassungen zu vermeiden.
Die Beschäftigten haben viele Jahre harte Arbeit hinter sich, um das Werk konkurrenzfähig zu machen. Mit schnellen, hochflexiblen Schichtwechseln, Mehrarbeit und Sonderschichten am Wochenende, Personaleinsparung und Mehrbelastung wurde das auch erreicht. Die Fehler die das Management gemacht hat, dürfen nun nicht die Beschäftigten ausbaden. Das sieht wohl auch die Börse so, die sonst Arbeitsplatzabbau mit Kursanstiegen bejubelt, im Falle Vitesco aber mit massiven Kurseinbrüchen reagierte.“

Andreas Weidemann, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Nürnberg:
„800 Menschen den Arbeitsplatz zu nehmen ist unverantwortlich und wird von uns nicht hingenommen. Wir verlangen von den Verantwortlichen, dass sie diesen Beschluss sofort zurücknehmen. Transformation kann nur mit und nicht gegen die Menschen gestaltet werden, der Umstieg auf Elektromobilität wird nur akzeptiert, wenn dies nicht zu Massenentlassungen in der Automobilbranche führt. Ziel muss es jetzt sein, Zukunftsprodukte zu entwickeln die dann am Nürnberger Standort gefertigt werden. Dass dies möglich ist, zeigt das Beispiel MAN Nürnberg, wo für 100 Mio. Euro eine neue Batteriefertigung entstehen wird.“

Unterstützung erhielten die Demonstrierenden von der Stadt Nürnberg. Dr. Michael Fraas (Wirtschaftsreferent der Stadt Nürnberg) dazu: „Nürnberg ist und bleibt ein Industriestandort. Hier muss die Produktion und Wertschöpfung stattfinden. Hier müssen wir das Know – How halten. Die Stadt wird sich für den Erhalt der Arbeitsplätze einsetzten“

Johann Horn, Bezirksleiter der IG Metall Bayern, machte nochmal deutlich: „Dieses Werk wurde vor vielen Jahren mit Unterstützung der Stadt Nürnberg aufgebaut und erhalten. Mit dem Versprechen, das hier sichere Arbeitsplätze entstehen. Dieses Versprechen wird nun gebrochen. Bereits viele Male haben der Betriebsrat, die IG Metall und die Beschäftigten dieses Werk gerettet, weil es das Management verpennt hat. Auch dieses Mal werden wir nicht lockerlassen, bis wir die Zusage für sichere, zukunftsfähige Arbeitsplätze haben.“ Stefan Doll, Regionsvorsitzender des DGB Bayern, spricht den Beschäftigen die Solidarität aller Gewerkschaften aus und kritisiert den Raubtierkapitalismus, welchen Vitesco hier zu Tage legt auf das Schärfste.

Hintergrund der Auseinandersetzung:

Von den gut 2.400 Beschäftigten am Standort Nürnberg arbeitet etwa die Hälfte in der Produktion. Dort werden Elektronik bzw. Leiterplatten wie z.B. Getriebesteuerungen, Spannungswandler oder Powermodule produziert. Damit unterscheidet sich das Werk von den anderen sieben deutschen Werken, die Komponenten für die Verbrennungstechnologie produzieren. Direkte Schwesterwerke sind Brașov (Rumänien) und Debrecen (Ungarn). Mit deren Kostenstrukturen steht das Werk Nürnberg im direkten Wettbewerb. Vitesco plant über Fertigungsautomation die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Demnach wird es für einen Großteil der auslaufenden Produkte keinen Ersatz geben. Da die noch verbleibenden Produkte hoch automatisiert gefertigt werden soll, soll das Werk Nürnberg um 800 Beschäftigte auf 350 Beschäftigte im Jahr 2026 verkleinert werden.

Die Vitesco Werke Roding und Mühlhausen sind bereits in Schließung, die Werke in Limbach-Oberfrohna, Bebra, Bochum, Eisenach und Lohmar werden nach dem Ausstieg aus der Verbrennertechnologie drastisch heruntergefahren. Nur Nürnberg, hieß es, sei sicher. Weil Nürnberg als Hauptsitz der Elektrifizierungssparte und als Pionier in Sachen E-Mobilität nicht von der Transformation betroffen sei.