Aus den Betrieben
Semikron in turbulenten Zeiten

Anfang des Jahres 2021 wehrte die IG Metall einen Angriff auf den Tarifvertrag bei Semikron ab. Die metallzeitung sprach mit dem Betriebsratsvorsitzenden Hakan Aynal.

1. Juli 20211. 7. 2021


Hakan, die Semikron ist ein Nürnberger Familienunternehmen mit weltweit 3.000 Beschäftigten. Wie ist aktuell eure wirtschaftliche Situation und wie blickt ihr in die Zukunft?

Hakan Aynal: Leistungselektronik ist ein Wachstumsmarkt, doch unser Geschäft unterliegt auch konjunkturellen Schwankungen. Wir kennen dieses „Auf“ und „Ab“ seit Jahren. 2020 war wieder mal, auch durch Corona bedingt, ein Jahr des „Ab“. Aber erwartungsgemäß ist bereits 2021 wieder eine Erholung eingetreten. Aktuell sind wir voll ausgelastet und arbeiten in vielen Bereichen rund um die Uhr. Wir haben auch an den Feiertagen produziert, um die ständig steigenden Auftragseingänge zu bewältigen.

Trotzdem wollte die Geschäftsführung, dass die Beschäftigten auf Entgelt verzichten. Mit welcher Begründung?

Ende 2020 trat die Geschäftsführung an den Betriebsrat und die IG Metall mit einem Forderungspaket, das sie „Solidarpaket“ nannte, heran. Kern des „Solidarpaketes“ war der teilweise Verzicht der Beschäftigten auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die nächsten drei Jahre. Begründet wurde diese Forderung mit der schlechten wirtschaftlichen Lage in 2020 und dem Ziel mindestens in 2021 ein neutrales Ergebnis zu erreichen. Im Gegenzug bot der Arbeitgeber eine Arbeitsplatzsicherung für 1.200 der rund 1.600 Beschäftigten bis Ende 2023 am Standort Nürnberg sowie den Ausbau der betrieblichen Berufsausbildung an.

Das „Solidarpaket“ hat die IG Metall Mitglieder nicht überzeugt. Sie haben der Firma klar gesagt, dass sie nicht auf Entgelt verzichten werden. Ist jetzt damit alles gut bei Semikron?

Die wirtschaftliche Argumentation hat am Ende nicht überzeugt. Für uns als IG Metall stellte sich die Frage, ob die wirtschaftliche Lage tatsächlich so schlecht war, wie sie dargestellt wurde, da Semikron parallel Investitionen in Millionenhöhe für eine SAP-Einführung, neue Produkte im Bereich der Elektromobilität oder für Produktionsverlagerungen tätigte. Somit wurde das operative Ergebnis durch viele Sondereffekte beeinflusst.  Die IG Metall Mitglieder hatten das Gefühl, dass sie mit ihrem Entgeltverzicht diese Vorhaben jetzt finanzieren sollen.

Dementsprechend fiel das Mitglieder-Votum über die Aufnahme von Verhandlungen sehr deutlich aus: 77 Prozent der Mitglieder haben sich gegen Verhandlungen mit dem Arbeitgeber ausgesprochen!
Die Geschäftsführung hat die Absage zur Kenntnis genommen. Ob es von ihnen einen weiteren Versuch geben wird, wird die Zukunft zeigen.

Semikron Nürnberg Gebäude

Der Hauptsitz der Firma Semikron im Nürnberger Westen. Foto: IG Metall Nürnberg

Der Betriebsrat erhielt vor der ersten Sondierung einen Hinweis, wonach die Semikron verkauft werden könnte. Welche Folgen hätte aus deiner Sicht ein solcher Eigentümerwechsel?

Wir wurden von einer anonymen Person, die offensichtlich über gutes Insiderwissen verfügte, darüber informiert, dass die Firma anteilig verkauft werden soll. Falls es doch dazu kommen sollte, wird ein neuer Mehrheitsanteilseigner sicher eigene Vorstellungen haben. Da wir diese nicht kennen, können wir die Folgen nicht abschätzen. Ebenso können wir nicht einschätzen, ob es einen zweiten Anlauf mit Entgeltverzichtsforderungen geben wird.

Wie bereitet ihr euch auf die möglichen Folgen vor?

Wir arbeiten daran, noch mehr Beschäftigte für die IG Metall zu gewinnen, um für etwaige tarifliche Auseinandersetzungen oder Restrukturierungen gut gerüstet zu sein. Wir vermitteln den Kollegen, dass wir nur gemeinsam stark sind und dass die IG Metall Mitglieder bezüglich Rechtsanspruch auf die tariflichen Leistungen entscheidende Vorteile haben.
Mit der IG Metall an unserer Seite werden wir weiterhin für gute Arbeitsbedingungen, für faire Entgelte und für die Anerkennung neuer Tarifverträge kämpfen!

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